Röttle By
Historisches Industriedorf bei Gränna
Das ehemalige Industriedorf Röttle By südlich des "Zuckerstangen-Städtchens" Gränna, rund 35 Kilometer nördlich von Jönköping, steht für eine malerische Dorfidylle aus längst vergangener Zeit.
Einen besonderen Reiz gewinnt Röttle By dabei auch aufgrund seiner Lage am Wasserfall des Flüsschens Röttleån inmitten der dramatisch schönen Natur unterhalb eines steilen Berghangs an der Ostseite des Vätternsees. Das malerische Dorf am Rand des Naturschutzgebietes Västanå besteht aus gut zwei Dutzend roter Holzhäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie zwei historischen Wassermühlen als letzte Überbleibsel einer über Jahrhunderte währenden Nutzung des Flusses als Energiequelle.
Die Wurzeln von Röttle By
Die Entstehungsgeschichte des zwischen dem Wasserfall und der Mündung des Röttleån in den Vättern gelegenen Dorfes reicht zurück bis in das Mittelalter und steht im engen Zusammenhang mit der Nutzung der Wasserkraft des reißenden Flusses. So stammt die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes, damals noch unter dem Namen Rytlofors (von rytande forsen = tosende Stromschnellen) sowie seiner Wassermühlen bereits aus dem Jahr 1279.
Bis zur Zähmung des wilden Flusses Anfang des 20. Jahrhunderts müssen die tosenden Fluten in der Tat ein beeindruckendes Bild geboten haben, denn der Röttleån legt auf seinem nur zwölf Kilometer langen Weg vom See Bunn hinunter in den Vättern einen Höhenunterschied von insgesamt 108 Metern – davon alleine 74 Meter auf den letzten vier Kilometern zurück.
Röttle By als frühindustrieller Standort
Wurden ab dem Mittelalter dort zunächst nur Getreidemühlen betrieben, davon etliche im Besitz des damaligen Klosters Nydala, setzte die frühindustrielle Blütezeit von Röttle By im 17. Jahrhundert unter der Herrschaft des Grafen Per Brahe des Jüngeren ein. Der gebildete und vielseitig interessierte Graf vollendete nämlich nicht nur den prächtigen Familiensitz Visingsborg auf der Insel Visingsö und ließ das luxuriöse Herrenhaus Brahehus bauen, sondern gründete auch mehrere Industriebetriebe in Röttle By.
Der erste gräfliche Betrieb war eine Papierfabrik, die ab 1646 Büttenpapier für die gräfliche Druckerei auf Visingsö produzierte und bis 1879 in Betrieb war. Es folgten neben mehreren kleinen Werkstätten eine Weberei, Waffenschmieden, Pulvermühle, Hammerschmiede sowie ein Bohrmühle, die Läufe für Musketen herstellte. Mit Ausnahme der Papierfabrik und der Bohrmühle, die später in eine Getreidemühle umgebaut wurde und bis heute als Rasmus Kvarn existiert, verschwanden die Betriebe mit dem Tod des Grafen wieder.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Röttle By seine zweite wirtschaftliche Blüte, als die Wasserkraft unter anderem für den Betrieb einer Eisengießerei, einer Ölmühle, einer Brauerei, und einer Knochenmühle genutzt wurde. Mit dem Bau des Wasserkraftwerkes in Gränna um 1920 wurde ein Teil des Röttleån umgeleitet und die Betriebe in Röttle By wurden aufgrund der nun zu geringen Wassermengen aufgegeben.
Historische Zeugen in Röttle By
Bis heute zeugen etliche Fundamente und Mauerreste von der großen Zahl der früheren Mühlen im und am Fluss, wobei zwei der historischen Wassermühlen bis heute erhalten geblieben sind. Die ältere der beiden Mühlen, die sogenannte Jerusalems kvarn stammt noch aus dem Mittelalter und gehört zu den ältesten Profanbauten in Schweden. Sie steht an der Westseite des Flusses, etwas abseits des Dorfes und beeindruckt durch ihre drei, mit der angrenzenden Felswand verbundenen Stockwerke.
Die zweite Wassermühle, die sogenannte Rasmus kvarn, steht etwa 150 Meter weiter flussaufwärts und wurde um 1700 von einer Bohrmühle in eine Getreidemühle mit drei Wasserrädern und drei Mahlgängen umgebaut. Sie wurde 1977 umfassend restauriert und wird in der Zeit zwischen Mittsommer und Mitte August im Rahmen der täglichen Besichtigungen in Betrieb gesetzt. Das dabei aus biologisch angebautem Getreide erzeugte Mehl wird vor Ort zum Verkauf angeboten.
Folgt man dem Flusslauf bis zu seiner Mündung in den Vättern, trifft man auf den historischen, mittlerweile ebenfalls restaurierten Schiffsanleger von Röttle By. Der Anleger wurde anfänglich von den Bauern rund um den Vättern und von der Insel Visingsö für die Anlieferung ihres Getreides an die Mühlen in Röttle genutzt und später, bis in die 1930er Jahre, von den regelmäßig auf dem Vättern verkehrenden Dampfschiffen angelaufen.